Kritische Darstellung des Zusatznutzens nach Vershofen mit einem Beispiel des Produktdesigns von Apple’s iPhone

Das aktuelle Wirtschaftsgeschehen zeigt, dass Dienstleistungen im Vergleich zu Realprodukten sehr stark an Bedeutung gewinnen. Nutzentheoretisch argumentiert, dienen Dienstleistungen dazu, das Kernprodukt anzureichern und damit einen zusätzlichen Wert (Added-Value) zu vermitteln. Im Added-Value steckt das Potential zur Profilierung und Differenzierung der Unternehmensleistung. Ein noch weiter reichender Schritt der Vermittlung von Zusatznutzen stellt die Markierung der angebotenen Leistungen dar […]. Hiernach sind das Kernprodukt, der Added-Value durch Dienstleistungen und das Erlebnis durch die Marke zu unterscheiden. [1]

Entsprechend dieser Logik stellt eine Tafel Schokolade als objektiv abgrenzbares, physisches Kaufobjekt den Leistungskern dar. Das Angebot eines schlüsselfertigen Wohnhauses schließt dagegen zusätzliche, für den Konsumenten wertvolle Dienstleistungen mit ein, wodurch für den Konsumenten ein Zusatznutzen […] entsteht. Umfasst ein Leistungsangebot darüber hinaus zusätzliche Erlebniswelten, wie sie z.B. durch den Erwerb eines […] (Apple iPhones) entstehen, entsteht für den Konsument eine Art Erlebnis durch die Marke. [1]

Wilhelm Vershofen (1878-1960) entwickelte Ender der 50er Jahre eine diesem Ansatz folgende, eigenständige Nutzentheorie (1959). [2] Er gilt als Begründer der modernen Marktforschung in Deutschland. Auf seine Vorarbeit hin wurde 1934 die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) gegründet. [3]

Vershofens Nutzentheorie basiert auf der Vorstellung, dass Personen Erlebnisse suchen, die anregen, Freude schaffen, die Phantasie beflügeln, die Gefühle vertiefen, das Denken stimulieren und zum Handeln treiben.

Nutzenleiter nach Vershofen

Nutzenleiter nach Vershofen

Die von ihm erarbeitete Nutzenleiter nimmt ihren Ausgangspunkt in der Unterscheidung zwischen Grund- und Zusatznutzen. Der Grundnutzen ist dabei als eine stofflich-technische, der Zusatznutzen als eine seelisch-geistige Komponente definiert.

Zwar bleibt Vershofen in der Beschreibung der einzelnen Nutzenkategorien auf sehr abstrakter Ebene, seine grundlegende Unterscheidung zwischen Grund- und Zusatznutzen fand dennoch großen Anklang in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung und wird dort noch heute als gültig anerkannt. [4] Sie wird im Folgenden am Beispiel des Apple iPhones veranschaulicht:

Laut Vershofen liegt der Nutzen von Konsumgütern auf der obersten Ebene einerseits in ihren stofflich-technischen (funktionalen) Eigenschaften. Führt man sich diesen Grundnutzen eines iPhones vor Augen, so ist damit die Möglichkeit gemeint, mobil mit anderen Leuten zu kommunizieren. Auf der anderen Seite bieten Güter aber auch seelisch-geistigen Zusatznutzen, der mit den weiter unten liegenden Verzweigungen der Nutzenleiter begründbar ist:

Als Geltungsnutzen ist bei einem iPhone etwa Prestige (kaufpreisbedingt) zu nennen. Der Erbauungsnutzen resultiert z.B. aus dem Erleben eigener Kompetenz bei der Bedienung (Schaffensfreude), aber auch aus der Ästhetik des Produkts (Harmonie). Zudem mögen Käufer auch ihr persönlich empfundenes Recht auf Kunst und Mobilität verwirklichen wollen (Ordnung).

Vershofens starre Differenzierung in der ganzheitlichen Erlebniswelt des Konsumententen ist einschränkend nur tendenziell als gegeben anzusehen. [5]

Zudem besteht die von ihm beschriebene Art von Zusatznutzen im Gegensatz zum Added-Value durch Dienstleistungen nur in der Wahrnehmung der Konsumenten. Sie ist dadurch gleichwohl subjektiv, individuell aber auch überaus schwer zu quantifizieren und zu steuern. [1]

Vershofen leitet aus der Hierarchie von Nutzenarten eine Heuristik zur Beschreibung des Nachfrageverhaltens beim Kaufakt ab. Im Wesentlichen beschreibt die so genannte Nürnberger Regel, dass eine Nutzenkomponente den Konsumenten bei seiner Kaufentscheidung umso mehr beeinflusst, je spezieller sie im Sinne der Nutzenleiter ausfällt.

Das Beispiel des iPhones von Apple verdeutlicht dies: Das iPhone ist stofflichtechnisch kaum von anderen Smartphones zu unterscheiden. Die Gründe für dessen marktwirtschaftlichen Erfolg sind vor allem im Produktdesign und den Prestigegedanken der Käufer zu finden.

Literaturverzeichnis

Monographien

  • Hermann, A., Huber, F. (2009): Produktmanagement Grundlagen – Methoden – Beispiele, 2. Aufl., Wiesbaden 2009
  • Klinke, H. (2010): Apple Design – die Kunst der Produktgestaltung zwischen Userzentrierung und Ästhetik, kunsttexte.de, Nr. 1, 2010

Internetquellen

Fußnoten

  1. [1]Vgl. Hermann, A., Huber, F., S. 321
  2. [2]Vgl. Hermann, A., Huber, F., S. 322
  3. [3]Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Vershofen, Abruf am 17.11.2010
  4. [4]http://de.wikipedia.org/wiki/Nutzenschema_der_N%C3%BCrnberger_Schule, Abruf am 19.11.2010
  5. [5]Vgl. Hermann, A., Huber, F., S. 323